Desertec: Mehr als Strom aus der Wüste!

Die Idee ist faszinierend! In Zukunft sollen die sonnenverbrannten Wüstengebiete der Erde genutzt werden, um dort massenhaft preiswerten Solarstrom zu erzeugen und dadurch die Energieversorgung der Menschheit zu sichern. So könnte künftig Strom aus der Sahara nach Europa geliefert werden. Gestern hat die Desertec Foundation ihr Konzept der Öffentlichkeit vorgestellt. Doch Desertec bedeutet mehr als nur Sonnenstrom aus der Wüste.

Hochtechnologie Anno 1913

Die Idee zur Energieerzeugung, die hohe Sonneneinstrahlung in Wüstengebieten zu nutzen, ist nicht neu. Bereits 1913 (!) nahm der us-amerikanische Ingenieur Frank Shuman in Ägypten das erste solarthermische Dampfkraftwerk der Welt in Betrieb. Er errichtete fünf Reihen gewölbter Parabolspiegel, die einen Durchmesser von vier Metern hatten und 65 Meter lang waren. Sie bündelten das Sonnenlicht auf einem Absorberrohr und erzeugten damit genügend Dampf, um eine Wasserpumpe mit einer Leistung von immerhin 45 kW anzutreiben. Durch den Ausbruch des Ersten Weltkriegs und den Beginn des Erdölzeitalters geriet diese Technologie aber in Vergessenheit.

Eine alte Idee wird wiederentdeckt

Dabei bietet die Strahlung der Sonne für unsere Energieversorgung ein gewaltiges Potential. So ist die gesamte auf die Erdoberfläche auftreffende Energiemenge fünftausend (!) Mal größer als der derzeitige Energiebedarf der Menschheit. Trotzdem wurden erst Ende der 1970er und Anfang der 1980er Jahre in Kalifornien und Andalusien wieder Parabolrinnenkraftwerke in Betrieb genommen. Die Idee, Energie aus Sonnenlicht in großem Stil zu gewinnen, setzt sich nur allmählich durch.

Initiative des Club of Rome

Deshalb wurden seit 2003 auf Initiative des Club of Rome die Grundzüge des heutigen Desertec-Konzepts entwickelt. Anfang dieses Jahres wurde in Hamburg die gemeinnützige Stiftung Desertec Foundation gegründet, um die Umsetzung des Konzepts voranzutreiben. Und gestern haben diese Stiftung, die Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft (Munich Re) und zwölf weitere Unternehmen eine Vereinbarung vorgelegt, mit der das Konzept verwirklicht werden soll.

Stromverbund rund ums Mittelmeer

Das Desertec-Konzept erfordert eine enge Zusammenarbeit der Europäischen Union mit den Staaten in Nahost und Nordafrika (kurz MENA-Staaten als Abkürzung für Middle East & North Africa). Für die EU-MENA-Staaten soll ein gemeinsamer Stromverbund geschaffen werden, in dem erneuerbare Energiequellen möglichst optimal ausgenutzt werden. So sollen vor allem Parabolrinnenkraftwerke in den Wüsten und Windkraftanlagen an den Küsten Nordafrikas und Europas umweltfreundlichen Strom erzeugen. Dieser soll dann durch Hochspannungs-Gleichstrom-Leitungen mit geringen Übertragungsverlusten auch über größere Strecken verteilt werden.

Hightec ist keine Science Fiction

Die Techniken zur Energieerzeugung und Stromübertragung sind keine Utopien, sondern bereits weltweit im Einsatz. Die eigentliche Herausforderung liegt darin, die internationale Vernetzung rund um das Mittelmeer zu für alle Seiten fairen Bedingungen zu verwirklichen. Desertec bedeutet deshalb viel mehr als nur Sonnenstrom aus der Wüste, denn zu dem Konzept gehört auch die soziale und technische Entwicklung der MENA-Staaten. Deshalb soll der im Süden gewonnene Strom nicht bloß nach Norden exportiert, sondern auch vor Ort genutzt werden. So geht es zum Beispiel darum, Trinkwasser durch Meerwasser-Entsalzungsanlagen zu gewinnen oder Bevölkerung, Betriebe und Bildungseinrichtungen mit billiger Energie zu versorgen.

Ökostrom als Entwicklungsmotor

Davon würde vor allem die rasch wachsende und meist arme Bevölkerung in den Ländern des Nahen Ostens und Nordafrikas profitieren. Natürlich birgt das Desertec-Konzept neben Chancen auch Risiken. So darf der Sonnenstrom aus der Wüste nicht dazu führen, dass die europäische Energieversorgung abhängig von arabischen Despoten oder leichtes Ziel von Terroristen wird. Letztlich sind wir Europäer gut beraten, wenn wir möglichst viel erneuerbare Energie zum Beispiel aus Windkraft selbst erzeugen, um möglichst unabhängig von Erdöl- oder Sonnenstromlieferungen zu werden.

Lesen Sie dazu mehr: Was ist Windgas?

Internet-Seite des zum Stromverbund rund ums Mittelmeer:
Desertec Foundation: http://www.desertec.org/de